
Das 17. Dresdner Baustatik-Seminar führte unter dem Motto „Ingenieurwissen und Vorschriftenwerk“ etwa 200 Interessierte ins Dresdner World Trade Center. In zehn Fachvorträgen gab es hochkarätige Informationen mit großer Bandbreite. Die Tagung spannte den Bogen von grundlegenden Diskussionen zum Bauen in der Zukunft zu aktuellen Fragestellungen der Praxis.
Die Veranstaltung wird traditionell vom Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Landesvereinigung der Prüfingenieure in Sachsen und der Ingenieurkammer Sachsen ausgerichtet. Nach der Begrüßung, die Prof. Wolfgang Graf stellvertretend für Prof. Michael Kaliske vornahm, eröffnete Prof. Werner Sobek vom ILEK Stuttgart den Reigen der Fachvorträge.
„terra incognita mea“ stellte die komplexen Interaktionen Mensch – Umwelt in den Fokus der Betrachtung. Faktenreich und zum Denken anregend war Sobeks Vortrag, der sich im Spannungsfeld „Ingenieurwissen und Vorschriftenwerk“ mit dem Bauen heute sowie den Herausforderungen des Bauens von Morgen bewegte.
Die rasanten technischen Entwicklungen führen zu einer sich ständig verändernden Arbeitswelt des Ingenieurs, der für diese Entwicklungen auch verantwortlich ist. Die Zugänge zu Entwurf, Modellierung und Berechnung komplexer Strukturen sind aufgrund des technischen Fortschritts äußerst vielfältig und einschneidend. Die technischen Evolutionen erlauben heute einen wesentlich größeren Detaillierungsgrad als in der Vergangenheit und ermöglichen ein verantwortungsvolles, nachhaltiges Planen und Bauen.
Weitgehende Verallgemeinerungen und komplexe Kopplungen sind in der Entwicklung. Eine Simulation zeigte eine aktuelle Entwicklung für den numerischen Entwurf mit unscharfen Größen – den Crash eines PKW mit Dummy und Airbag, einer Reifen-Fahrbahn-Modellierung und einem deformierbaren Verkehrszeichenträger. Optimierungsziel ist die Steifigkeit des Gitterträgers unter der Nebenbedingung der zulässigen Kopfbeschleunigungen des Fahrzeugführers.
Dass ein Blick in die Geschichte immer lehr- und hilfreich ist, bewies einmal mehr Dr.-Ing. Karl-Eugen Kurrer. Die Pionierleistungen des Baustatikers Konrad Zuse fasste er in seinem Vortrag „Konrad Zuse und die Vorgeschichte der Computerstatik“ anschaulich zusammen.
Die heutige praktische Arbeits- und Vorgehensweise basiert auf dem aktuellen Stand der Technik, der in technischen Vorschriften vorgegeben wird. „Wie groß der Abstand, die Distanz zum Stand des Wissens ist, können wir ja auch ein wenig selbst beeinflussen“, sagte Prof. Graf in seiner Einführung.
Die Problematik „Zukunft trifft auf Vergangenheit“ zeigte Dipl.-Ing. D. Fuentes Abolafio (Büro Wetzel & von Seht, Hamburg) anhand eines Beispiels aus dem Hauptstadt-Baugeschehen auf: „Modernes Leben am Zirkus, Berlin“ war der Titel seines Vortrags.
„Die Europäischen Bemessungsnormen – Ansätze und Chancen zur Vereinfachung“ betrachtete Prof. Wolfram Jäger (Dresden). Nach dem Beginn der Arbeit mit den Eurocodes im Bauwesen − die nun bauaufsichtlich eingeführt sind − liegen erste Erfahrungen im Umgang vor. Die nächsten Schritte sind die Überprüfung und Weiterentwicklung. Die Herausforderungen sind dabei vielschichtig, denn kritisiert werden Umfang, Komplexität und fehlende Anwenderfreundlichkeit.
Das ist gewiss ebenso bei der Erläuterung der Tücken des Eurocode 3 für die Ermüdungsfestigkeitsnachweise im Stahlbau. Zusätzliche FE Simulationen haben sich dabei als sehr nutzbringend und zielführend erwiesen, wie Prof. Dr.-Ing. Markus Feldmann
(Aachen) in seinem Beitrag „Ermüdungsfestigkeitsnachweise für den Stahlbau nach Eurocode 3“ zu berichten wusste.
Die Qualitätskontrolle und Prüfung der Berechnungsergebnisse stellen außergewöhnliche Anforderungen, die auch zu unvermuteten Ergebnissen führen können. Das wird in dem Werkstattbeitrag zur Normung der Stabilitätsnachweise dünnwandiger Kreiszylinderschalen mit und ohne Versteifungen von Prof. Werner Schneider (Dresden) deutlich.
Ein Imagewandel des grauen, schweren Betons zu einem leichten Composite-Material − mit innovativen Herstellungsprinzipien oder alternativen Entwurfsgrundsätzen − gelingt zunehmend besser. Aktuelle Entwicklungen stellte Prof. Manfred Curbach (Dresden) äußerst fach- und sachkundig vor.
Eine spannende und wichtige Klasse von Ingenieurbauwerken sind unterirdische Tragwerke. Prof. Josef Eberhardsteiner berichtete über das „Tragverhalten junger Tunnelkalottenschalen aus Spritzbeton“. Dafür gibt es neue Modellierungsansätze, die sehr anspruchsvoll sind.
Im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches werden derzeit die numerische Simulation, die Prognose des maschinellen Tunnelvortriebs und die Prozessteuerung breit entwickelt, die später auch in neuen Vorschriften münden werden. Das für die Prozesssteuerung zu prognostizierende Strukturverhalten wird insbesondere von der Qualität des gewählten FE Modell und dem Ansatz für die unscharfen Daten bestimmt. Die „Simulations- und monitoring-basierte Prozesssteuerung im maschinellen Tunnelbau“ stellte Prof. Günther Meschke (Bochum) vor.
Spektakulär erschien das letzte Thema: „Bauen im Weltall“. Aber der Vortrag des Bauingenieurs Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln ließ auch sehr reale, irdische Fragen im Blickpunkt stehen.
Im Schlusswort wies Prof. Jäger auch schon auf das 18. Dresdner Baustatik-Seminar am 17.10.2014 hin.
Musikalisch umrahmt wurde der Tag der Fakultät von Marion Fiedler (Gesang) und Jochen Aldinger am Flügel. Der Dekan der Fakultät, Prof. Rainer Schach, widmete seine Begrüßungsrede dem Abschluss, der an diesem Tag bescheinigt wurde: Der Diplom-Ingenieur, der fast auf den Tag genau seinen 114. Geburtstag feierte. Ein weltweit anerkannter Abschluss, den ununterbrochen zu vergeben die Fakultät Bauingenieurwesen stolz sei. „Der Diplom-Ingenieur ist nicht nur ein Abschluss, der sich in über hundert Jahren bewährt hat, er ist auch eine international anerkannte starke Marke. So etwas gibt man nicht leichtfertig auf!“ sagte Prof. Schach.
Neu im Reigen der Preise ist der Dreßler-Bau-Preis, der mit 3.000 Euro dotiert ist und von der Bauunternehmung Gabriel Dreßler gestiftet wurde. Der Preis wird für die besten Abschlussarbeiten in den Vertiefungen Baubetrieb und Gebäude/Energie/Management verliehen. Den 1. Preis erhielt Louise Briemel für ihre Diplomarbeit „Vergleich konventioneller Arbeitsbühnen an Schalungen mit alternativen Konzepten“. Platz 2 ging an Fabien Rozzi für seine Diplomarbeit „Auswirkungen der Energiewende auf die Bauwirtschaft“, der 3. Preis an Ina Liebscher für die Diplomarbeit „Konzeption eines operativen Controllingsystems für ein mittelständisches Bauunternehmen“.
Den mit 3.000 Euro Gottfried-Brendel-Preis für besondere Leistungen im Rahmen der Projektarbeit im Fach Entwurf von Ingenieurbauwerken von Studierenden des 9. Semesters überreichte für den Stifter Bilfinger SE Harald Möller. Preisträgerin ist Angela Schmidt für ihre Arbeit „Form Follows Force – Optimierung der Geometrie von Stützen“. Zwei 2. Preise wurden ebenfalls vergeben an Max Käding („Entwurf einer Eisenbahnbrücke über die Röder“) und an Kevin Wahl („Entwurf und Bemessung einer Radfahrer- und Fußgängerbrücke über die Ems nahe der Stadt Rheine“).
Den von der Landesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik in Sachsen vergebenen Günther-Grüning-Preis erhielt Lukas Müller für seine Diplomarbeit „Schubtragverhalten von Stahlbetonplatten“. Der Preis ist mit 1.500 Euro dotiert und wird jährlich vergeben für hervorragende Projektarbeiten (des 9. Semesters) oder Diplomarbeiten auf den Gebieten „Zukunftsorientierte Nachweisverfahren für Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Zuverlässigkeit von Bauwerken“, „Entwicklung von Simulationsmodellen und numerischen Methoden zur Tragwerksanalyse“ sowie „Beiträge zur Sicherheitsbeurteilung von Tragwerken“.
Den mit 1.500 Euro dotierten Preis der Franz und Alexandra Kirchhoff-Stiftung für die beste Arbeit aus den Gebieten Straßenbau, Geotechnik und Baubetrieb erhielt Richard Milow für seine Diplomarbeit „Modellierung von Feste-Fahrbahn-Systemen auf der Grundlage der Methode der Finiten Elemente“.
Preisträger des mit 1.000 Euro dotierten Eurovia-Straßenbau-Preises ist Juliane Kraft. Ihre Diplomarbeit beschäftigt sich mit der „Experimentellen Analyse des Spannungs-Dehnungsverhaltens einer Kiestragschicht bei Frost-Tau-Wechselbeanspruchung“.
Der von der Bauer Spezialtiefbau GmbH gestiftete Johann-Ohde-Preis für hervorragende Diplomarbeiten, Dissertations- und Habilitationsschriften im Fach Geotechnik ist mit 1.000 Euro dotiert. Preisträger ist Markus Uhlig, seine Diplomarbeit hat den Titel „Experimentelle und numerische Untersuchungen zur Drucksondierung in feinkörnigen Böden“.
Den Festvortrag hielt in diesem Jahr Dr. Gabriele Spieker vom Bundesverband Deutscher Banken. Ihr Thema war „Euro und die Staatsschuldenkrise – Statik und Stabilität der Währungsunion“.



