90 Jahre Studentenwerke in Deutschland – und ein Abschied von Rudolf Pörtner
Fünf Tipps gab Prof. Dr. Rudolf Pörtner den Studentinnen und Studenten bei der feierlichen Immatrikulation im Audimax des Hörsaalzentrums dieses Jahr mit auf den Weg: „Überwinden Sie das Staunen, überwinden Sie Trägheit und Faulheit, seien Sie wenn nötig stur. Wenn es darauf ankommt, zeigen Sie sich auch und gerade im zivilen Leben couragiert. Und nehmen Sie sich trotzdem – aufs Ganze gesehen – nicht allzu ernst und wichtig.“ Es war das Ende einer jener Reden, die zu Tränen rührte. Lachtränen. Und die nachdenklich machte, weil zwischen den Lachern sehr Nachdenkliches und – siehe die fünf Tipps – Beherzenswertes den Weg in die Ohren der Zuhörerinnen und Zuhörer fand. Gestern nun wurde dieser famose humorvolle weise Mensch in den Ruhestand verabschiedet – und nach all den Reden stellt man verwundert fest, dass es offensichtlich gar keine Tipps für Studis waren, die der Geschäftsführer des Studentenwerks Dresden da vortrug, sondern – seine eigene Lebensmaxime.
Zusammen gekommen war man im Alten Saal der Mensa in der Mommsenstraße aber eigentlich aus einem ganz anderen Grund: Das Dresdner Studentenwerk wird morgen 90 Jahre alt. Also eigentlich nicht das Studentenwerk selbst, denn am 4. Dezember 1919 gründeten in Dresden Studenten und Hochschullehrer die Hochschul-Wirtschaftsgenossenschaft, „um die wirtschaftliche Lage der Studierenden in der schweren Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu verbessern“, wie es im Vorwort der Festschrift heißt, die gestern auch vorgestellt wurde. Das Studentenwerk Dresden und auch das Deutsche Studentenwerk als Dachverband ging dann aus dieser Dresdner Selbsthilfeeinrichtung hervor. Und so lernt man dann, dass in Dresden eben nicht nur Zahnpasta in Tuben und Tee in Beuteln, sondern auch das Studentenwerk erfunden wurde.
Am Ort des Ursprungs der Studentenwerks-Idee hatten sich auch 150 Delegierte aus den 58 deutschen Studentenwerken zur Jahresversammlung getroffen; viele von ihnen waren beim Festakt zum 90jährigen dabei und konnten einerseits noch einmal zwei sehr schöne Pörtner-Reden erleben, andererseits aber auch den Vorträgen zweier Sozialwissenschaftler lauschen, die diese Technische Universität ja auch hat: Prof. Dr. Karl Lenz (Prorektor, Philosophische Fakultät) und Prof. Dr. Andrä Wolter (Fakultät Erziehungswissenschaften) stellten die Festschrift zum 90jährigen vor, die „Studieren in Dresden“ heißt und eine „vergleichende Studie zur Qualität des Studiums“ sein will. Sie ist, nach erstem Diagonallesen, nicht nur schön gestaltet (das aber auch!), sondern vor allem eine Fundgrube für Material und Daten rund ums studentische Leben. Was daraus gemacht wird – oder konkret: Was Politiker, Verantwortliche in den Hochschulen und im herausgebenden Studentwerk daraus machen, wird die Zeit zeigen.
Es gab dann auch noch ein zweites Buch. Eins, das beinahe nicht erschienen wäre, weil „Sprüche, nichts als Sprüche“ – ein „Dresdner Allerlei aus 17 guten Jahren“ – dem Verfasser der in dem Band abgedruckten Reden für einen Moment ein wenig als „Selbstbespiegelung, übersteigerte Selbstdarstellung bzw Personenkult“ vorkam. Aber diesen Augenblick hat Rudolf Pörtner erfreulicherweise schnell überwunden, so dass man mit großem Genuss lesen kann, was uns der Herr Professor (für mitelalterliche Geschichte) über die Jahre so zu sagen hatte. Er selbst fand, dass „manches ganz nett formuliert ist und das eine oder andere auch über den Tag hinaus Gültigkeit hat“, was durchaus stimmt. Nur: Wer wird uns in Zukunft die schönen Reden halten?