Offen können sie wirklich gut

UVS
22. Juni 2015
Das Betonboot-Team - auch die Bastelkinder genannt – beim Probeaufbau . Foto: Ulrich van Stipriaan
Das Betonboot-Team – auch die Bastelkinder genannt – beim Probeaufbau . Foto: Ulrich van Stipriaan

Der Wille war da, eindeutig: Das Betonboot-Team der TU Dresden wollte bei der diesjährigen Betonkanu-Regatta nicht nur in der Offenen Klasse absahnen, sondern auch sportlich ganz oben mitspielen – und mit Gewicht gegeizt hatten die Bastelkinder, wie sie sich selbst nennen, auch – das leichteste Boot der Regatta, das wäre doch auch mal wieder was!

An diesem Wochenende war’s nun so weit – und in der Tat gewannen die Dresdner! Und zwar in der Offenen Klasse. Die beiden Renntitel sicherte sich das Team der Uni Twente aus Enschede. Die Niederländer setzten sich in den Finalläufen gegen die Teams aus Regensburg, Weimar und Leipzig durch. Den  Konstruktionspreis gewann die ETH Zürich, die zusätzlich einen Preis für das schwerste Kanu erhielt (293 kg).  Der Gestaltungspreis ging an die FH Aachen. Das leichteste Kanu baute die TU Graz (16,65 kg). Der Nachwuchspreis ging an die Steinbeisschule in Stuttgart. Einen Sonderpreis erhielt das Kooperationsprojekt der Metropolia University of Applied Sciences Helsinki  und der HTW Berlin.

15. Deutsche Betonkanu-Regatta in Brandenburg an der Havel. Foto: BetonBild/ Candy Welz
15. Deutsche Betonkanu-Regatta in Brandenburg an der Havel. Foto: BetonBild/ Candy Welz

Das Dresdner Betonboot-Team (BBT) hatte mit viel Spaß und Elan und tatkräftiger Unterstützung etlicher Sponsoren in der ehemaligen Baustoff-Halle in der Semperstraße gebastelt und gewerkelt, konstruiert und getüftelt. Der manchmal arg abgedroschen Spruch vom Weg, der das Ziel sei, passte hier sicher – denn wo und wie kann man im Studium gelerntes besser anwenden als bei so einer Aktion?

Das Boot BBT Semper orientiert sich an den historischen Schaufelraddampfern, die auf der Elbe zwischen Meißen und Bad Schandau verkehren. Aber es hat auch Vorbilder aus der Geschichte des Betonboot-Baus, denn es erinnert an die „Drehsden“, das Projekt der offenen Klasse von 2005, und an „Die Reiseboot“ aus dem Jahr 2011.

Dem Konstruktionsbericht der etwa 25 Studentinnen und Studenten des teams entnehmen wir: „Der Schwimmkörper besteht aus 12 Segmenten. Sechs der 12 Segmente bilden das Mittschiff und sind mit 1m Höhe, 1m Länge und 1,75m Breite baugleich ausgeführt. Die restlichen sechs Segmente bilden Bug bzw. Heck des Bootes aus und verjüngen sich daher. Der Schwimmkörper ist zu zwei Achsen symmetrisch.“

Angetrieben wird das Boot mit Muskelkraft – zwei Fahrräder (bzw. was von ihnen konstruktionsbedingt übrig blieb) sind die Maschinen für die beiden Schaufelräder, die einen Durchmesser von zwei Metern haben und  je aus zwölf konischen Kreisringsegmenten bestehen.

Gebaut wurde mit Carbonbeton – was sonst? Der Boden der BBT Semper hatte dadurch eine Stärke von 4cm, die Wandstärke liegt bei 3cm. Und natürlich hat’s nicht nur geschwommen, sondern auch gehalten!

 

Mit der Reiseboot nach Magdeburg

Die Reiseboot vor dem Blauen WunderDie Reiseboot vor dem Blauen Wunder

Nein, mit der deutschen Sprache stehen sie nicht auf Kriegsfuß, die Studentinnen und Studenten des Bauingenieurwesens. Sie haben einfach, einer guten Tradition folgend, ihr neues Betonboot gleich „Die Reiseboot“ genannt – weil Schiffe nun mal weiblich sind, auch wenn sie Männernamen tragen („Die Bismarck“, „Die Titanic“). Warum das so ist, hinterfrage man vorsichtshalber nicht, die Chauvi-Kasse könnte sich sonst zu schnell füllen bei Antworten wie „sieht doch einfach nur gut aus“ oder „sind nicht immer leicht handzuhaben“.  Obwohl an das letztere der beiden Argumente viele gedacht haben, die am vergangenen Sonntag um neun Uhr am Blauen Wunder auf das Betonboot warteten, mit dem es eigentlich um zehn Uhr Richtung Magdeburg elbabwärts gehen sollte. Dort findet nämlich am 24. und 25. Juni die 13. Deutsche Betonkanu-Regatta statt – und „Die Reiseboot“ wird ebendort in der Offenen Klasse antreten.

Doch der Hilfsmotor des Bootes, mit dessen Hilfe man vom Hafen in Pieschen bis zum Blauen Wunder elbauf fahren wollte, machte Zicken und musste erst einmal repariert werden. Und so hatten die „Bastelkinder“, wie sich die Mitglieder im Betonboot-Team selbst nennen, ausgiebig Zeit für ein großartiges Frühstück (das vom Wirt des Schillergartens großzügig gesponsort wurde) und anschließendes Schwan-und-Ente-gucken an der Elbe.

Die Reiseboot vor dem TerrassenuferDie Reiseboot vor dem Terrassenufer

„Die Reiseboot“ wiegt 2,8 Tonnen, ist fast zwölf Meter lang und 1,80 Meter breit. Als Drachenboot mit 16 Segmenten plus Bug und Heck gebaut, bietet es 20 Bastelkindern Platz. Der Motor ist übrigens nur auf Wunsch des Wasser- und Schiffahrtsamtes mit an Bord (die Elbe ist schließlich eine Wasserstraße, da kann man nicht einfach so ungefragt eine Reise von Dresden nach Magdeburg unternehmen), Normalantrieb ist Muskelkraft an Stechpaddeln!

Wie es zu der Idee eines Reisebootes kam, steht im Konstruktionsbericht, den die Studenten verfasst haben (steht auf der Betonboot-Seite): „Schon seit einigen Jahren existiert der Wunsch mit einem Betonboot auf dem Wasser zum Wettkampfort zu fahren. Schließlich gehören Boote ja aufs Wasser und nicht in LKWs geladen. Aber bisher bot sich nie eine Gelegenheit zur Verwirklichung dieses Traums.  Doch in diesem Jahr liegt der Austragungsort der Regatta, Magdeburg, genau wie Dresden an der Elbe! – die Idee zum Bau eines Reisebootes konnte Realität werden.“

Und so haben sie dann im Baustofflabor unter Supervision von dessen Leiter Dr.-Ing. Marko Butler geplant, gerechnet, entworfen und gebaut. Alles in der Freizeit neben dem Studium – aber: „Es macht Spaß, das Gelernte auch einmal in der Praxis anzuwenden!“ Und die staunende Frage, warum Beton schwimmt, beantworten die Studenten dann immer sehr wissend: Verdrängung ist, was so ein Boot über Wasser hält. Bei Stahl, meinte Dr. Butler, staune doch auch keiner, und der sei noch schwerer als Beton…

Entspannung hinter dem Beyer-Bau

EntspannringHinterm Beyer-Bau ist Platz für Entspannung

Die Bastelkinder aus dem Baustofflabor haben die temporäre Ausstellung von Objekten aus Textilbeton hinter dem Beyer-Bau um ein feines Stück erweitert: Ein halber Entspannring lädt ein, besichtigt und besetzt zu werden. Die Bastelkinder sind, für diejenigen, die es nicht wissen, ein Trupp von Studentinnen und Studenten, die alle zwei Jahre zur Betonboot-Regatta im Baustofflabor an der Semperstraße unter fachkundiger Beratung und Betreung durch Dr.-Ing. Marko Buttler sich an der praktischen Umsetzung von Ergebnissen aus der Textilbeton-Forschung versuchen. Dabei kommen meist sehr preisverdächtige Objekte heraus – so wie das Unterseeboot, das im Foyer des Beyer-Baus zu sehen ist oder das Wasserrad „Drehsden“, das gleich neben dem halben Entspannring auf der Wiese hinter dem Beyer-Bau steht.
[Beitrag aus der Zeit, als der EntSpannRing noch ganz war und zur Regatta fuhr]

Ist aus Beton und schwimmt!

Feinschliff am Hefeboot Letzer Feinschliff am Hefeboot

Mit „Luftikuss“, „Aphrodite“, „Hefeboot“ und dem „entSpannRING“ wollen StudentInnen der Fakultät Bauingenieurwesen der TU Dresden neuen Zielen entgegenstreben: Es sind die Namen der Boote, mit denen sie auf der 12. Deutschen Betonkanu-Regatta antreten, die am 19. und 20. Juni auf dem Baldeneysee in Essen stattfindet. Alle zwei Jahre findet dieser Wettkampf statt – und seit 1992 ist ein Team der TU Dresden dabei. In den vergangenen Jahren erkämpfte man zahlreiche Preise im Konstruktionswettbewerb und trat mit traditionellen Booten (nicht übermäßig erfolgreich) zu den sportlichen Wettkämpfen an. Die Aufsehen erregenden Wasserfahrzeuge für die Offene Klasse („Ist aus Beton und schwimmt!“), in der vor allem Originalität zählt, wurden schon dreimal mit dem ersten Preis in dieser Kategorie prämiert. Der Gelbe Oktober, das erste U-Boot aus Beton und das Wasserrad Drehsden sind heute noch im bzw. auf der Wiese hinter dem Beyerbau zu bewundern. Auch in diesem Jahr sind wieder pfiffige Ideen umgesetzt worden: Ein Team aus etwa 25 BauingenieursstudentInnen, darunter sowohl erfahrene „Betonboot-Veteranen“ als auch jüngere Semester hat gedacht, konstruiert und gebaut. Unterstützt wurden sie dabei vom Institut für Baustoffe, der Fakultät für Bauingenieurwesen, dem Institut für Textil-und Bekleidungstechnik und zahlreichen Sponsoren.

Die grundlegende Idee für die Kanu-Klasse war der Wunsch nach einer glatten Betonoberfläche sowohl an der Außen- als auch Innenseite des Bootes. Zusätzlich zu einer bereits vor zwei Jahren verwendeten Außenschalung, deren Form sowohl gute Schwimmeigenschaften als auch eine effektive Membranwirkung der Betonbootsschale gewährleistet, wurde eine passende Innenschalung gebaut. Der Abstand der beiden Schalungen entspricht der resultierenden Wanddicke des Kanus und beträgt etwa 21 mm. Aus der zweischaligen Bauweise ergab sich die Möglichkeit, die Innen- und die Außenseite der Boote in verschiedenen Farben zu gestalten. Die Betonkanus der TU Dresden werden nämlich traditionell nicht lackiert, sondern aus mit Pigmenten eingefärbtem Beton hergestellt. Die Innen- und die Außenschalung wurden im ersten und zweiten Arbeitsschritt mit einer sehr dünnen Feinbetonschicht versehen und mit textilen Glasfasergelegen bewehrt. Um trotz der vergleichsweise großen Wanddicke (frühere Betonkanus kamen mit wenigen Millimeter aus) die Masse eines Bootes trotzdem insgesamt nur bei etwa 55 kg zu halten, wurde im dritten Arbeitsschritt der Zwischenraum mit einem extrem leichten Schaumbeton unter Verwendung von Blähglasgranulat als Zuschlag gefüllt. Die große Wanddicke erlaubte es auch auf einen umlaufenden Randwulst wie bei früheren Kanus zu verzichten, so dass das Boot einzig durch die gekrümmte Schalenform ausgesteift wird. Die Rohdichte des gesamten Kanus ist kleiner 1 g/cm3. Damit ist es praktisch unsinkbar. Die Luftblasen des Schaumbetons inspirierten zu den Namen der Kanus: Luftikuss, Aphrodite und Hefeboot.

Noch nicht in seiner vollen Pracht zeigen die Bastelkinder den entSpannRINGNoch nicht in seiner vollen Pracht zeigen die Bastelkinder den entSpannRING

Im Ausgleich zu den anstrengenden sportlichen Wettkämpfen ist das Dresdner Projekt für die Offene Klasse konsequent als Ort der Entspannung und des Müßiggangs gestaltet. Ob die Formgebung nun ursprünglich auf einen Rettungsring oder doch einen Donut zurückgeht, ist nicht mehr zweifelsfrei zu rekonstruieren. Jedenfalls bietet der entSpannRING! bequem Platz für neun Bastelkinder (so nennen sich die Betonkanubauer der TU Dresden gerne selbst), die sich mitten auf dem Wasser sonnen und von nervenaufreibenden Bootsrennen erholen wollen. Entsprechend einem (u.a. bei der Drehsden) erprobten Konstruktionsprinzip der Bastelkinder wird der entSpannRING! aus neun einzeln angefertigten Kreisringsegmenten zusammengesetzt und mit Gewindestäben zusammengespannt. Damit wird ein Transport des runden Ungetüms (Durchmesser: 4 Meter; Masse: etwa 600 Kilogramm) überhaupt erst möglich. Für die Fertigung der Kreissegmente wurde anfangs eine Positivform aus Holzspanten, Drahtgeflecht und Gips erschaffen, auf der anschließend eine Negativschalung aus glasfaserbewehrtem Kunststoff (GFK) hergestellt wurde. Mit Hilfe dieser GFK-Schalung wurden später alle Segmente betoniert. Wie im Betonkanubau üblich, wurde dabei ein Feinbeton mit sehr kleinem Größtkorn und hohem Zementanteil verwendet.

Dabei wurde aus zweierlei Gründen auf das zehnte Segment verzichtet und der Ring mit Absicht nicht geschlossen. Erstens findet dort der neuartige Flossen-Antrieb Platz, außerdem muss ja Platz sein für den Bord-Grill. Zum Zweiten will man zeigen, dass man mit sowohl an der Außen- als auch an der Innenseite des Rings liegenden Spanngliedern auch einen nicht geschlossenen Kreisring aus vorgespannten Segmenten bauen kann. Aus dem statischen Systems des offenen Kreisrings resultieren höhere Materialbeanspruchungen und damit auch höhere Anforderungen an die Fertigungstechnologie und die Materialeigenschaften des textilbewehrten Betons. Der entSpannRING! ist also eine echte Spannbetonkonstruktion – zum An- und zum Entspannen. Der gewählte Name bringt sowohl die grundlegende Konstruktionsidee und den Einsatzzweck als auch den Stolz der Erbauer auf ihr Werk und ihren Berufsstand auf den Punkt, ganz nach der Devise: „Kein Ding ohne Ing(enieur)!“

Während am entSpannRING! noch bis zum letzten Moment getüftelt wird, haben die neuen Betonkanus ihre erste Bewährungsprobe bereits am ersten Juniwochenende beim 32. BetonKanoRace in Roermond, Holland bestanden. Die Damenmannschaft der Bastelkinder entschied den 200 m Sprint für sich und außerdem konnte sowohl den Innovationspreis als auch den Pokal für das leichteste Kanu mit nach Hause nehmen.