Erfolgreiche gemeinsame Sommerschule mit Bauingenieuren und Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Dresden

VirtEx-Sommerschule vom 27.09. – 01.10.2021

Künstlerische Arbeiten gelten seit jeher als Zeugen ihrer Zeit, die gesellschaftliche Entwicklungen und historische Ereignisse, sowie Geschichte und kulturellen Wandel in verschiedenen Epochen widerspiegeln. Allein dadurch stellen historische Kunstwerke einen unschätzbaren Wert für die Gesellschaft dar. Dementsprechend wichtig ist es, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sie zu zeigen und dauerhaft zu erhalten. Was naheliegend klingt ist in der Praxis nicht leicht und selbstverständlich umsetzbar. Allein die klimatischen Bedingungen, denen Kunstwerke beispielsweise in Museen ausgesetzt sind, lassen sich teilweise schwierig einschätzen und nicht immer genau einstellen. Fehler in der Aufbewahrung von Kulturgütern werden oft erst bemerkt, wenn entsprechende Schäden auftreten. Klimatische Veränderungen, die mit verschiedenen Jahreszeiten, jedem einzelnen Besucher oder bestimmten Bauwerkseigenschaften der Lager- oder Ausstellungsräume zusammenhängen, können Kunstgegenstände schädigen und zu einem stetig andauernden Verfallsprozess führen. Für Museumsbetreiber ergibt sich daraus ein permanentes Tätigkeitsfeld, Konservierung und Aufbewahrung historischer Gemälde und Kunstgegenstände stellt eine eigene Wissenschaftsdisziplin dar.

Ingenieurwissenschaftlich betrachtet sind Gemälde komplexe Objekte aus einem umfangreichen Materialmix wie Holz oder Stoff als Träger- und Rahmenkonstruktionen, sowie einem vielschichtigen Farbaufbau und schützenden Überzügen. Sie sind vergleichbar mit komplexen Bauteilen und damit verbundenen bauphysikalischen Fragestellungen, die im Bauingenieurwesen themenbestimmend sind.

Seit im Sommer 2019 die damalige Ministerin für Kunst und Wissenschaft, Dr. Eva-Maria Stange, feierlich einen Förderbescheid übergeben hat und damit der Startschuss für das Forschungsprojekt „Virtuelle Experimente für Kunstobjekt“ (VirtEx) gefallen war, beschäftigen sich Wissenschaftler des Instituts für Statik und Dynamik der Tragwerke der TU Dresden (ISD), KonservierungswissenschaftlerInnen des Studiengangs Restaurierung der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) und die MaterialwissenschaftlerInnen des Instituts für Holztechnologie Dresden (IHD) nun gemeinsam mit diesem Thema. Es sollen Verfahren erarbeitet werden, mit denen verstärkt ingenieurwissenschaftliche Methoden in der Restaurierung und Konservierung von Kulturgütern aus Holz eingeführt werden, um optimale Bedingungen für solche Kunstobjekte festlegen zu können.

In der praktischen Arbeit heißt das, dass Kunstwerke, ähnlich wie komplexe Bauteile mit möglichst vielen Daten und Parametern erfasst werden müssen. Dabei zählen Verformungen, Rissbildungen oder auch andere Schäden, die im Laufe der Zeit an den Objekten entstanden sind, genau wie Dimensionierungen, Geometrie, Materialstärken und Materialart zu wichtigen Parametern. Mit einer realitätsnahen theoretisch-numerischen Abbildung der Strukturen virtuell im Rechner, basierend auf der Finite Elemente Methode (FEM), ist es möglich, ein Berechnungsmodell für Holzobjekte zu erstellen und deren Veränderung bei Holzfeuchte- bzw. Klimaschwankungen vorherzusagen.

Je besser es dabei gelingt, die tatsächlichen Eigenschaften der Materialien zu erfassen, desto genauer sind die Prognosen für Veränderungen, bis hin zur Vorhersage von Kriechen und dauerhaften Schäden. So können virtuell Experimente durchgeführt werden, bei denen die Grenzen überschritten werden, ohne dass die „echten“ Objekte Schaden nehmen.

Im September fand im Rahmen des VirtEx-Projekts eine Sommerschule statt, um die Anwendung der neu entstandenen Verfahren in der Praxis zu erproben und mit der klassischen restauratorischen Herangehensweise zu vergleichen. Studierende der Fakultät Bauingenieurwesen der TU Dresden und Studierende der Fachrichtung Restaurierung der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) untersuchten zu diesem Zweck einen Flügel des spätgotischen Altarretabels aus Kirchbach im Stadtmuseum Freiberg. Dieses Tafelgemälde auf Nadelholz weist altersbedingt starke Deformationen auf und soll demnächst in andere Räumlichkeiten umgehängt werden. Im Rahmen der Sommerschule wurde herausgearbeitet, inwieweit sich die klimatischen Veränderungen, die sich mit dem Raumwechsel einhergehen, auf das Kunstwerk auswirken. Dazu wurde die Tafel exemplarisch untersucht und im Computer modelliert, um das Ergebnis mittels FEM virtuellen Experimenten zu unterziehen, die dann in Empfehlungen zum Klima mündeten. Einen wichtigen Teil nahm die 3D-Erfassung und die Erkundung der Möglichkeiten der Dokumentation von dreidimensionalen Veränderungen von Holztafelgemälden durch die „Structure from Motion“- Methode ein.

Parallel dazu wurde mit klassischen restauratorischen Untersuchungen ein Konzept entwickelt. In einer Abschlussveranstaltung, bei die Projektleiter Prof. Kaliske und Prof. Herm anwesend waren, zogen die beteiligten Studierenden ein positives Fazit. Die Zusammenarbeit zwischen Restauratoren und Bauingenieuren erwies sich als sinnvoll. Allein der didaktische Nutzen in der Ausbildung sei enorm, da sich Schädigungen gut simulieren lassen. Die physikalischen Modelle der Ingenieure gaben einen guten Einblick ins Innere der verarbeiteten Materialien. Gut darzustellen war beispielsweise die Feuchtezunahme der Holzelemente des Kunstwerks im Vergleich zu Trocknungsphasen, nachdem sich das Raumklima im virtuellen Versuch geändert hat. Nach Ansicht aller Beteiligten ist für die Aussagekraft der Versuche dabei die Qualität der Daten entscheidend. Insgesamt können mit der Entwicklung solcher digitaler Verfahren völlig neue Perspektiven für Kunstschätze erschlossen werden, eine Neuauflage der Summerschool VirtEx wird im nächsten Jahr sicherlich folgen.  

Bericht: André Terpe

Exakte Ermittlung der genauen Zustandsdaten des Kunstwerkes. Die Studierenden dürfen den Altarflügel im Stadtmuseum Freiberg genau unter die Lupe nehmen. Foto: Oliver Tietze

Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kaliske, (ISD, TU Dresden)
Prof. Dr. Christoph Herm, (HfBK Dresden)

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