Zu einem Vortrag „Gletschersee – Naturidylle oder Horrorscenario?“ laden das george-Bähr-Forum und das Seminar für bauwesen als Co-Veranstalter ein: Am 20.06.2013 um 18:30 Uhr im Hörsaal 118 des Beyer-Baus spricht Prof. Dr.-Ing. E.h. Robert Fechtig, Emeritus der ETH Zürich.
Die Alpen bieten Besuchern und Touristen Schönheiten besonderer Art. Doch für die ständigen Bewohner lauern auch Gefahren im Sommer und im Winter: lange Regenperioden, intensive Schneefälle fordern besondere Schutzmaßnahmen. Mit der Klimaerwärmung schmelzen Gletscher schneller, Permafrostzonen verlieren ihre Stabilität. Behörden von Gemeinden, Kantonen und Bund wie auch die Anwohner werden dauernd gefordert.
So wurde im Berner Oberland, dem Jungfrauen-gebiet von Grindelwald bis Interlaken, die Bevölkerung in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit außergewöhnlichen Ereignissen und großem Schadensausmaß konfrontiert. Kleinere Wasserausbrüche aus Gletschern – bedingt durch Schneeschmelze und größere Regenmengen – war man hier gewohnt. Doch ein Felsabbruch vom Eiger auf die Zunge des Unteren Grindelwaldgletschers führte zu einer Damm-bildung und zum Entstehen eines Gletschersees von bis zu 2,5 Mio m³ -Inhalt, für die verantwortlichen Behörden eine neue Herausforderung. Ein kontrolliertes Abfließen war damit nicht mehr gegeben und führte zu zeitlich nicht prognostizierbaren Ausbrüchen mit großem Schadenspotential.
Zahlreiche technische Varianten wurden erarbeitet, um weitere Seeausbrüche in den Folgejahren zu verhindern. Ein seitlicher Hängegletscher über dem Gletschersee mit einer abgekoppelten Eismasse von ca. 500.000 m³, die jederzeit abstürzen konnte, erschwerte zusätzlich die Lösungsfindung. Unter Abwägung aller Risiken beschloss das fachkompetente Gremium einen 2.300 m langen Stollen in der seitlichen Flanke der Gletscherschlucht. Dieser wurde auf konventionelle Art (Sprengvortrieb) mit einer Steigung von 18 – 22 % in neun Monaten aufgefahren.
Der Vortragende Prof. Dr.-Ing. E.h. Robert Fechtig wurde 1932 in Zürich geboren, besuchte Schule und Gymnasium bis zum Abitur, studierte Bauingenieurwesen an der dortigen ETH, das er 1956 als Diplom-Ingenieur abschloss.
1956 bis 1958 war er als Projektingenieur für die Errichtung von Kraftwerken in Schweden tätig und kehrte danach als Forschungsassistent für 2 Jahre (1959 – 1960) an die ETH Zürich zurück.
Von 1961 bis 1981 arbeitete er im Bauunternehmen Zschokke AG. In dieser Zeit entstanden unter seiner Leitung größere Projekte für die Infrastruktur in der Schweiz und im Ausland, unter anderem Kraftwerke, Stollen, Kavernen, Tunnelsanierungen, Brücken und Wasserbauten.
1981 berief ihn die ETH Zürich als ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl Baubetrieb, Bauwirtschaft und Baumethodik der Fakultät Bauingenieurwesen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten und seine außergewöhnlichen Projekte erhielt er bereits 1992 die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Braunschweig. 1996 wurde er emeritiert und ist seitdem weiterhin als Vortragender und Gutachter im In- und Ausland sehr gefragt – so zum Beispiel für die Lösungsfindung beim Grindelwaldgletschersee, über die er in seinem Vortag berichten wird.