Neues Schwerpunktprogramm zu Unschärfemodellierungen
Am 20. März 2015 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Einrichtung von 18 neuen Schwerpunktprogrammen (SPP) beschlossen. Eins davon ist das SPP 1886 „Polymorphe Unschärfemodellierungen für den numerischen Entwurf von Strukturen“, das Prof. Michael Kaliske vom Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der TU Dresden beantragt hat.
Eine „genaue“ Zahl kann Vertrauen schaffen und Sicherheit suggerieren. Numerische Ergebnisse und Vorhersagen werden oft als exakt betrachtet. Heutzutage sind die Gesellschaft und auch die Wissenschaft von dieser Denk- und Vorgehensweise, die nur ganz exakte Angaben und Definitionen zulässt, wesentlich geprägt. Dass man aber auch mit ungenauen Angaben und Prognosen erfolgreich sein kann, beweist die Wetterkarte der ARD. Denn besonders bei der Lufttemperatur gibt es eine recht große Spanne an möglichen Temperaturen für eine Region. Die allabendlich gezeigte Grafik mit den großzügigen Graubereichen für die möglichen Temperaturschwankungen pro Region verdeutlicht jedem Zuschauer, dass eine Unschärfe in der Prognose vorhanden ist, auch wenn über die Verteilung der Werte im Graubereich keine Information vorliegt. Unterschiedliche Grautöne könnten qualitative Aussagen liefern, quantitative Informationen wären noch aussagekräftiger. Das Beispiel zeigt überzeugend, dass eine gewisse Unschärfe der Daten und Informationen bei Analysen, Prognosen und Bewertungen real existieren und diese vielgestaltig sein können. Dabei ist es besonders wichtig, nicht nur die Qualität der Modelle, sondern auch die verfügbaren Daten zu hinterfragen und zu berücksichtigen.
Im Ingenieurwesen spielen Daten eine besonders wichtige Rolle. Eine angemessene Erfassung der tatsächlichen Datenunschärfe hat für die Planung, Simulation und Fertigung von Bauwerken, Bauteilen, Maschinen und Anlagen weitreichende Konsequenzen. Der Entwurf von diesen Strukturen erfolgt heute weitestgehend am Computer. Bei der baulichen Umsetzung der Pläne klafft meist eine Lücke zwischen dem computersimulierten Entwurf und dem tatsächlichen Bauwerk auf. In zunehmendem Maße wird erkannt, dass die zu berücksichtigende Unschärfe der Daten und Informationen in Simulationsmodellen ein völlig neu definiertes Verständnis für den Entwurf von Strukturen notwendig macht. Das neue Schwerpunktprogramm hat sich zum Ziel gesetzt, neuartige, effiziente Modelle und Methoden zu entwickeln, um der Erfassung der Unschärfe bzw. der Ungewissheit der Daten und Informationen gerecht zu werden, und im Endeffekt verlässlich und effektiv funktionierende Strukturen entwickeln zu können.
Am DFG-Schwerpunktprogramm sind neben Prof. Kaliske und Prof. Graf vom Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der TU Dresden auch Prof. Heuveline (Universitätsrechenzentrum/Engineering Mathematics and Computing Lab, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), Prof. Leyendecker (Lehrstuhl für Technische Dynamik, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Reese (Institut für Angewandte Mechanik, RWTH Aachen) und Prof. Wall (Lehrstuhl für Numerische Mechanik, TU München) beteiligt. Als Koordinator und Sprecher wird Prof. Kaliske tätig sein.
Mit dem SPP 1886 werden die außergewöhnlichen Anstrengungen um eine bessere theoretische Durchdringung des Phänomens Unschärfe und um ihre integrale Behandlung im numerischen Entwurf komplexer Strukturen insbesondere im Bauingenieur- und Maschinenwesen gebündelt. Im Ergebnis der etwa 20 auszuschreibenden Teilprojekte darf erwartet werden, dass neue Produkte und Anwendungsfelder mit positiven ökonomischen Konsequenzen (ressourcenschonendere Produkte, effizientere dauerhafte Strukturen) erschlossen und verstetigt werden können. Für das SPP 1886 wurden 11,3 Millionen Euro Fördermittel für die kommenden sechs Jahre beantragt.